— 30 —
Festlichkeiten, besonders aber beim Tode des Königs, werden Menschen in
großer Zahl geopfert. Als 1859 ein König in Dahome starb, ließ sein Sohn
4500 Sklaven auf seinem Grabe schlachten, so daß dasselbe ganz in Blut schwamm.
Vor jedem Eingange zur Wohnung des Königs liegt ein Haufen Knochen und
Elefantenschädel, und auf dem oberen Rande der Mauer prangen eine Anzahl
Totenköpfe. Außer einer Armee von 30000 Mann besitzt der König von Dahome
auch eine Garde, welche aus 5000 Frauen besteht. Seine Einkünfte bezieht der
König aus dem Sklavenhandel. Von Zeit zu Zeit macht er nämlich mit seinen
Kriegern förmlich Jagd auf seine Unterthanen, überfällt zur Nachtzeit die Dörfer
und verkauft alle eingefangenen Leute an seine Sklavenhändler."
Im Flachsudan sind ebenfalls mehrere selbständige Reiche, z, B. Wadai,
östlich vom Tfad, in welchem noch Sklavenhandel getrieben wird, und Bornu,
westlich vom Tsad, mit der H a u p t st a d t Kuka, einem der wichtigsten Knoten-
punkte des Karawanenverkehrs, zugleich Hauptrastort für die Mekkapilger in
Jnner-Afrika.
Vii. Süd- oder Hochasrika
umfaßt namentlich Niederguinea, den Kongo st aat, das Kapland, die
Deutschen Kolonieen, das Kaffer nland, die Küste von Sofala
und Mozambique, das Reich Sansibar und das Somaliland.
1. Niederguinea umfaßt die Westküste Südafrikas von der Bai von
Biafra bis zum 20. Grad südlicher Breite. Die Hauptausfuhrartikel des Landes
sind Elfenbein, Ebenholz, Palmöl, Erdnüsse und Kautschuk. In den Wäldern
leben Gorilla und Schimpanse. Einer der wichtigeren Orte ist öoältdo.
2. Der Kongostaat, 1885 gegründet, umfaßt den größten Teil des
Kongogebietes und steht unter dem Schutze Belgiens.
3. Das Kapland umfaßt die Südspitze Afrikas bis zum Oranjefluß und
gehört den Engländern. „Ein Europäer, welcher hier ankommt, ist gewöhnlich
sehr verwundert über die veränderte Lage der Himmelsgegenden. Er sieht die
Sonne zur Mittagszeit nicht im 8., sondern im N. Osten ist ihm dabei nicht
zur Linken, sondern zur Rechten. Auch die Jahreszeiten sind den europäischen
gerade entgegengesetzt. Wenn wir Herbst haben, ist dort Frühling; zur Weih-
nachtszeit geht man dort an die Weizenernte, um Johannis aber sucht man Schutz
vor Kälte am Kaminfeuer. Der Nordwind bringt hier Wärme, der Südwind
Kälte. — Die Hauptprodukte sind Schafwolle, Straußenfedern (Strauße
werden hier gezüchtet), Wein (Kapwein) und Weizen. In den Wildnissen weiden
Büffel, Antilopen, Zebras und Giraffen, und im Gebüsch lauern Löwen, Hyänen,
Schlangen u. s. w. auf Beute." Die Ureinwohner sind die Hottentotten
und Kaffern. Ihre Wohnungen haben Ähnlichkeit mit Bienenkörben; ihr Reich-
tum besteht im Besitze von Rindern. — Die Kapstadt ist die Hauptstadt
(45 T.). Sie liegt am Fuße des Tafelberges und an der Tafelbai und ist
wichtig als H a n d e l s st a d t und als E r s r i s ch u n g s st a t i o n; sie war
vor der Eröffnung des Suezkanals gleichsam ein großes Wirtshaus für
Seefahrer aller Nationen. Fast alle Schiffe, die nach Indien,
China oder Australien gingen oder von dort zurückkamen, legten hier an, besserten
etwaige Schäden aus, und nahmen Wasser, Früchte, frisches Fleisch und andere Vor-
räte an Bord. Die nach Indien bestimmten englischen Soldaten blieben einige
TM Hauptwörter (50): [T41: [Insel Staat England Amerika Kolonie Mill Küste Nordamerika Land Stadt], T30: [Tier Vogel Mensch Pferd Hund Fisch Thiere Nahrung Eier Wasser], T17: [Meer Fluß Gebirge Land Hochland See Halbinsel Osten Norden Süden]]
TM Hauptwörter (100): [T0: [Meer Insel Halbinsel Küste Ozean Afrika Land Europa Kap Straße], T84: [Vogel Tier Eier Fisch Mensch Hund Nahrung Thiere Insekt Art], T54: [Haus Feld Bauer Dorf Pferd Stadt Vieh Land Wald Mensch], T64: [Insel Amerika Land Spanier Australien Kolonie Hauptstadt Küste Entdeckung San], T79: [Wein Zucker Baumwolle Kaffee Getreide Tabak Fleisch Holz Wolle Handel]]
TM Hauptwörter (200): [T104: [Nil Meer Wüste Afrika Küste Land Sahara Gebiet Sudan Fluß], T195: [Pferd Tier Hund Schaf Löwe Wolf Rind Mensch Schwein Thiere], T101: [Baumwolle Kaffee Tabak Getreide Reis Zucker Holz Ausfuhr Wein Zuckerrohr], T13: [Baum Wald Feld Wiese Garten Gras Winter Mensch Sommer Haus], T43: [Haus Frau Kind Mann Arbeit Wohnung Familie Zeit Zimmer Kleidung]]
— 56 —
Minister und Feldherr Großvezier (spr. Großwesir). Die Bewohner des
Reiches sind teils O s ni a n e n oder Türken (d. h. Räuber), teils
Slaven, teils Jude n. Die Türken sind Mohammedaner und nennen
alle in der Türkei lebenden Christen und Judeu Raja (spr. Radschah),
d. h. Herde; diese waren früher fast ohne Rechte, sind aber in neuerer Zeit
in Bezug auf Rechte und Pflichten den Türken gleichgestellt. „Die Türken
sind ein schöner Menschenschlag, ernsthaft, gesetzt, mildthätig und ehrlich, aber
auch träumerisch, abergläubisch und hochmütig. Lautes Lachen und Plaudern
halten sie sür närrisch. Kommen sie in den Kaffeehäusern und öffentlichen
Bädern zusammen, so setzen sie sich mit untergeschlagenen Beineu aus die
niedrigen Polster an der Wand; einer erzählt ein Märchen und die andern
schauen nun wie im Traume versunken vor sich hin oder schlürfen ihren schwarzen
Kaffee und rauchen ihre lange Pfeife dazu oder fpieleu mit ihrem Barte, den
sie wie alle Morgenländer sorgfältig salben und räuchern. Reist man in der
Türkei, so muß man gehen oder reiten, denn die wenigsten Wege sind fahrbar
und Eisenbahnen sind selten. Da es keine Wirtshäuser giebt, so haben wohl-
lhätige Leute Karawansereien an die Landstraße gebaut, das sind leerstehende
Gehöste, worin Menschen und Tiere unter Dach und Fach nächtigen können.
Speisevorrat und was zum Kochen und Speisen gehört, führt jeder Reisende
mit sich. Messer und Gabel benutzt kein Morgenländer bei Tische; man führt
die Speisen, welche zerschnitten aufgetragen werden, mit den Fingern der
rechten Hand zum Munde. Fraueu darf ein Mohammedaner haben, so viel er
zu ernähren vermag; aber sie wohnen sür sich und dürfen sich vor fremden
Männern nur dicht verschleiert sehen lassen. •— Fünfmal täglich ruft ein Mann
von dem Minaret der Moschee zum Gebet, und jeder Muselmann (d. i. gläubige
Mohammedaner), der diesen Ruf hört, fällt dauu auf sein Angesicht, wo er auck
sei. Gegen Unglück, Pest, Feuer und Wassersnot thut der Türke nichts.
„Wen Allah (so nennt er seinen Gott) verderben will, den findet er doch,"
meint er und läßt kommen, was kommen will."
Konstantinopel (d. h. Konstantinsstadt, 900 T.), von den Türken Stambul
genannt, ist die H a n p t st a d t der Türkei und gehört zu deu schöustgelegeueu
Städten Europas. Es liegt an der Straße von K o n st a n t i n o p e l,
wo Europa und Asien sich fast auf Strombreite nähern. Bon der Meeres-
straße dringt eine schmale Bucht in das Land, welche den Hafen von
Konstantinopel bildet und „das Goldene Hör n" heißt. Dieser Hasen ist
einer der besten der Erde, da er deu größten Flotten sicheren Zugang und
Schutz vor allen Winden gewährt; zur Zeit der Kriegsgefahr kann er auch
leicht durch Ketten gesperrt werden. Durch die Lage an der Verbinduugs-
stelle zweier größerer Binnenmeere und an der Grenze zweier Erdteile ist
Konstantinopel als H a n o e l s st a d t von hervorragender Wichtigkeit. Das
Innere der Stadt hat viele schmutzige, übelriechende, schmale Straßen mit
schlechten Lehmhütten, zwischen denen wieder schöne Häuser steheu. Die einzigen
Straßenreiniger sind die zu Tausenden umherlaufenden herrenlosen
Hunde, welche den auf die Straße geworfeneu Unrat gierig verschlingen.
Kein Türke thut den Tieren etwas zu leide. — Die Europäer wohueu in
den besser gebauten Vorstädten Pera und Galata; au der Küste Kleiuasieus
liegt S k ü t a r i. Ju letzterer Stadt begraben die Türken ihre Toten lieber,
als aus europäischem Bodeu, weil sie des Glaubens sind, daß ihr Volk später
einmal aus Europa verdräugt werden wird. — Aus dem Häusernleere
TM Hauptwörter (50): [T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T22: [Volk Bewohner Sprache Land Bevölkerung Einwohner deutsche Religion Million Stamm]]
TM Hauptwörter (100): [T97: [Stadt Hauptstadt China Reich Land Handel Meer Einw. Türkei Sultan], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T87: [Tag Tisch Haus Frau König Mann Gast Herr Hand Abend], T54: [Haus Feld Bauer Dorf Pferd Stadt Vieh Land Wald Mensch]]
TM Hauptwörter (200): [T48: [Christ Jerusalem Sultan Mekka Araber Land Jahr Stadt Mohammed Türke], T43: [Haus Frau Kind Mann Arbeit Wohnung Familie Zeit Zimmer Kleidung], T100: [Gott Herr Herz Wort Leben Hand Himmel Vater Kind Mensch], T138: [Meer Insel Stadt Küste Halbinsel Kleinasien Griechenland Name Bosporus Land], T126: [Land Handel Europa Meer Osten Zeit Westen Volk Deutschland Jahrhundert]]
Extrahierte Ortsnamen: Türkei Konstantinopel Europas Europa Asien Konstantinopel Konstantinopel Europa
— 56 —
führt. Diesen Männern sind auch auf freien Plätzen der Stadt Standbilder
in Lebensgröße errichtet worden. „Am Goethehanse steht Goethes, an der
Schillerstraße Schillers Wohnhaus. Eine Tafel an letzterem trägt die Ju-
schrift: „Hier lebte und starb Schiller." Man sieht noch das enge, niedrige
Stüblein, wo Schiller wohnte und so viele herrliche Dichtungen schuf. Auch
sein Arbeitstisch steht noch da. Auf demselben liegen 2 Briefe von seiner
Hand. Die Bettstelle, in welcher er starb, ist reich mit Kränzen geschmückt.
Neben dem Bette steht auf einem Tischchen Schillers Dose und Tasse. In
der „Fürstengruft" stehen die Särge Goethes und Schillers nahe bei dem
Sarge ihres fürstlichen Freundes Karl August." — Jena (s. S. 31). — Ju
Eisenach war Luther Chorknabe. In der Nähe steht auf einem Bergkegel
die Wartburg, die alte Residenz der thüringischen Landgrafen und 1521
die Zufluchtsstätte Luthers; hier lebte er als „Junker Georg" und begann
die Bibelübersetzung. Die Burg soll eiuer Sage nach von Ludwig dem
Springer angelegt worden sein, welcher bei einem Jagdritt auf den Scheitel
des Berges kam und ausrief: „Warte Berg, du sollst mir eine Burg werden!"
Im Mittelalter lebten hier am Hofe eines thüringischen Landgrafen einige
berühmte Minnesänger, und es soll im Saale der Wartburg (1207) ein
berühmter „Sängerkrieg" stattgefunden haben. In der Nähe der Wartburg
ist das freundliche Marienthal und die enge Felsenschlucht Annathal. — Der
Marktflecken Ruhla, im Volksmunde „die Ruhl" genannt, liegt in einem
Waldthale und verarbeitet Meerschaum; der Ort gehört halb zu Weimar,
halb zu Gotha.
5. Das Großher;ogtnm Hessen (140 ^Meilen oder 7700 qkm [halb
so groß als Sachsens und 1 Mill. Eiuw.) besteht aus 2 Hauptteileu,
die bei Frankfurt durch einen schmalen Streifen preußischen Gebietes von
einander getrennt sind. Der nördliche Teil, Oberhessen genannt, um-
saßt den rauhen Vogelsberg und die schöne und fruchtbare Wetter au.
Der südliche Teil wird durch deu Rhein wieder in 2 Teile geschieden und
umfaßt deu uördlicheu Teil der Oberrheinischen Tiefebene, den Odenwald und
die nördlichen Ausläufer des Haardtgebirges. Die Gebirge des Landes
sind das Vogelsgebirge, Teile des Taunus, der Odenwald und Teile des
Haardtgebirges, die Flüsse der Rhein, die Lahn, der Main und Neckar.
Die Hauptbeschäftigung der Bewohner ist Ackerbau, Obst-und Weinbau
und Viehzucht.
Darmstadt (64 T.), an der Darm, ist Haupt- und Residenzstadt. Von
hier aus geht an der Westseite des Odenwaldes bis nach Heidelberg die
freundliche und obstreiche Bergstraße. — Gießen an der Lahn ist Universitär-
stadt des Laudes, und Offenliach a. Main die bedeutendste Industriestadt. —
Main; (77 T., s. S. 24). Im Mittelalter war die Stadt das Haupt des
rheinischen Städtebundes und wurde wegen des blühenden Handels das
„goldene Mainz" genannt. Im Dome ist der Minnesänger Heinrich von
Meißen, Frauenlob genannt, begraben; ihn trugen die Fraueu von Mainz
uuter großem Wehklagen zu Grabe. — Worms (s. S. 23). — Bingen
(f. S. 24). '
6. Das Grobherzogtum Laden (270 ^Meilen oder über 15000 qkm
[so groß wie Sachsens und fast 2 Mill. Einw.) umfaßt deu größten Teil des
Schwarzwaldes, die östliche Hälfte der Oberrheinischen Tiefebene bis zum
Neckar, reicht im No. bis an den Main und dehnt sich im 80. zwischen
TM Hauptwörter (50): [T8: [Stadt Rhein Schloß Kreis Mainz Einw. Dorf Main Frankfurt Einwohner], T18: [Gebirge Berg Teil Rhein Höhe Wald Fluß Alpen Seite Donau], T1: [Geschichte Dichter Zeit Buch Werk Jahr Gedicht Nr. Bild Geographie]]
TM Hauptwörter (100): [T5: [Rhein Main Wald Thüringer Teil Schwarzwald Gebirge Neckar Saale Jura], T39: [Kind Vater Mutter Frau Mann Haus Jahr Eltern Sohn Knabe], T35: [Dichter Zeit Gedicht Lied Dichtung Schiller Poesie Werk Goethe Sprache], T87: [Tag Tisch Haus Frau König Mann Gast Herr Hand Abend], T44: [Sachsen Provinz Preußen Königreich Hannover Bayern Staat Hessen Baden Land]]
TM Hauptwörter (200): [T96: [Stadt Thüringer Saale Schloß Wald Gotha Dorf Heidelberg Weimar Einw.], T36: [Rhein Mosel Lahn Mainz Stadt Bingen Taunus Bonn Main Ufer], T172: [Dichter Zeit Gedicht Schiller Werk Goethe Maler Dichtung Lied Hans], T139: [Donau Rhein Main Tiefebene Teil Jura Alpen Tiefland Gebiet Fluß], T43: [Haus Frau Kind Mann Arbeit Wohnung Familie Zeit Zimmer Kleidung]]
Extrahierte Personennamen: Goethehanse Goethes Schiller Schiller Karl_August Karl August Luther_Chorknabe Ludwig_dem
Springer Ludwig Heinrich_von
Meißen Heinrich
Extrahierte Ortsnamen: Jena Wartburg Luthers Wartburg Wartburg Marienthal Weimar Gotha Hessen Sachsens Frankfurt Oberhessen Rhein Oberrheinischen_Tiefebene Odenwald Taunus Odenwald Rhein Main Darmstadt Heidelberg Offenliach_a._Main Main Mainz Worms Sachsens Oberrheinischen_Tiefebene Main
— 58 —
2. Das Herzogtum Anhalt (42 □ Meilen ober 2300 qkm und
300 T. Einw.) besteht aus 2 Teilen, von denen der östliche an der Elbe
und zu beiden Seiten der Mulde und Saale, der westliche am Unterharz
Kegt. Im Hauptgebiete wird Ackerbau (Zuckerrüben) und Viehzucht, im
Harzgebiete Bergbau getrieben. — Velsan (42 £.) an der Mulde ist Haupt-
und Residenzstadt (s. S. 31). — In Bernburg und Kothen residierten
früher auch Herzöge von Anhalt. — 33 allen steht liegt im Unterharze.
3. Das Herzogtum Sachsen - Kolmrg-Gotha (36 □Meilen oder fast
2000 qkm und 217 T. Einw.) besteht aus 2 Hauptteilen, von
denen der größere am Nordabhange, der kleinere am Südabhange des
Thüringerwaldes liegt. — Gotha (32 T.), die Haupt- und Residenzstadt, ist
die reichste und schönste Stadt Thüringens, wird deshalb die „Perle Thüringens"
genannt. Sie ist durch ihre Wurst und die Feuer- und Lebensversichernngs-
gesellschast bekannt. Nicht weit davon liegt der Jnselsberg, der schönste
Aussichtspunkt des Thüringerwaldes. — In Waltershausen werden „ganze
Wälder in Spielwaren und ganze Schweineherden in Würste umgewandelt."
— Coburg, in schöner Lage, ist gewöhnlich Residenz des Herzogs. Über der
Stadt ist die vormalige Feste Koburg, auf der sich Luther während des
Reichstages in Augsburg (1530) aufhielt.
4. Das Herzogtum Sachsen-Meiningen (45 ^Meil. oder 2500 qkm
und 234 T. Einw.) liegt langgestreckt am Südabhange des Thüringerwaldes
zu beiden Seiten der oberen Werra. — Meiningen (13 T.) an der Werra
ist die Haupt- und Residenzstadt. — Hildtmrghansen an der Werra ist eine
Fabrikstadt. — Bei Saalfeld an der Saale war 1806 ein Gefecht mit
den Fran'zosen. — Sonnelierg ist der Mittelpunkt einer großartigen Spiel-
und Holzwareuiudustrie. — Aus dem Dorfe M ö h r a stammten Luthers
Eltern.
5. Das Herzogtum Sachsen-Ottenburg (24 □ Mßil. oder 1300 qkm
und 180 T. Einw.) ist das kleinste deutsche Herzogtum. Es besteht
aus 2 Teilen, von denen der östliche im Gebiet der Pleiße, der westliche
im Saalegebiete liegt. Dieser ist sehr waldreich und heißt das Holzland;
jener hat ausgezeichnete Felder und Wiesen und wird das Kornland
genannt. Viele Bewohner haben besondere Kleiduug und Sitten. Das Land
hat wenig Städte, aber ansehnliche Dörfer und einen sehr vermögenden
Bauernstand. — ^ltentmrg (33 T.), an der Pleiße, ist Haupt- und Residenz-
stadt. Aus einem Felsen liegt das weithin sichtbare herzogliche Schloß. Aus
demselben raubte 1455 der Ritter Kunz von Kaufungen die Prinzen Ernst
und Albert, welche später die Stammväter der sächsischen Fürstenhäuser
wurden.
7. Die sieben Fürstentümer.
1. und 2. Die Fürstentümer Schwarzburg-Nndolstadt (17 □ Meilen
oder 940 qkm und 88 T. Einw.) und Schwarzlinrg - Sondershansen
(18 [j Meilen oder 860 qkm und 78 T. Einw.) gliedern sich in
2 Gebietsteile, an denen jedes Anteil hat. Die „Oberherrschaft" liegt
am Nordfuße des Thüringer- und Frankenwaldes, die „Unterherrschaft"
im Preußischen im Gebiete der Unstrut und Helme. Die Bevölkerung der
Oberherrschaft treibt Waldwirtschaft, Viehzucht und etwas Bergbau, die der
Unterherrschaft Landwirtschaft. — Uiibölftnöt im Saalthale ist Residenz von
TM Hauptwörter (50): [T8: [Stadt Rhein Schloß Kreis Mainz Einw. Dorf Main Frankfurt Einwohner], T18: [Gebirge Berg Teil Rhein Höhe Wald Fluß Alpen Seite Donau], T35: [Preußen Königreich Bayern Sachsen Staat Hannover Baden König Provinz Land]]
TM Hauptwörter (100): [T44: [Sachsen Provinz Preußen Königreich Hannover Bayern Staat Hessen Baden Land], T5: [Rhein Main Wald Thüringer Teil Schwarzwald Gebirge Neckar Saale Jura], T70: [Boden Teil Land Wald Gebirge Ebene Gebiet See Klima Tiefland], T18: [Donau Stadt Ungarn Böhmen Wien Hauptstadt Land Einw. Königreich Mulde], T87: [Tag Tisch Haus Frau König Mann Gast Herr Hand Abend]]
TM Hauptwörter (200): [T96: [Stadt Thüringer Saale Schloß Wald Gotha Dorf Heidelberg Weimar Einw.], T174: [Preußen Sachsen Hannover Holstein Provinz Königreich Staat Oldenburg Braunschweig Dänemark], T130: [Elbe Stadt Sachsen Provinz Saale Kreis Schlesien Elster Neiße Magdeburg], T43: [Haus Frau Kind Mann Arbeit Wohnung Familie Zeit Zimmer Kleidung]]
Extrahierte Personennamen: Luther Ernst Albert 88_T.
Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
Inhalt Raum/Thema: Haushaltsregeln
Geschlecht (WdK): Mädchen
390
kunstlos, nur auf das Bedürfnis berechnet, war der Hausrat.
Mann und Frau aßen von einem und demselben Teller. Ein oder
zwei Becher reichten aus für die ganze Familie. Messer und Gabel
dienten für mehrere Tischgenossen zugleich. Die Glasur irdener
Gefäße kam erst jetzt auf. Kerzen hatte man noch nicht, sondern
nach fröhlichem Schmause ließen sich die Gäste mit Fackeln oder
Laternen nach Hause leuchten. Selbst in wohlhabendern Familien
hatte der Sohn keine eigne Wirtschaft, sondern wohnte mit seiner
jungen Frau in einem Hinterstübchen des elterlichen Hauses. Da-
bei fehlte es aber in jenen düstern Räumen durchaus nicht an
Heiterkeit und Frohsinn. Sang und Klang war überall, und in
mancher deutschen Stadt gab es eine unglaubliche Menge von
Spielleuten, die ihre Harfen. Fiedeln. Pfeifen und Zinken er-
tönen ließen. C. Wernicke.
229. Gudruns Klage.
1. Nun geht in grauer Frühe
der scharfe Märzenwind,
und meiner Qual und Mühe
ein neuer Tag beginnt.
Ich wall' hinab zum Strande
durch Reif und Dornen hin,
zu waschen die Gewände
der grimmen Königin.
2. Das Meer ist tief und herbe,
doch tiefer ist die Pein,
von Freund und Heimaterde
allzeit geschieden sein.
Doch herber ist's, zu dienen
in fremder Mägde Schar,
und hat mir einst geschienen
die güldne Krön' im Haar.
3. Mir ward kein guter Morgen,
seit ich dem Feind verfiel;
mein' Speis' und Trank sind Sor-
und Kummer mein Gespiel, sgen,
doch berg' ich meine Tränen
in stolzer Einsamkeit;
am Strand den wilden Schwänen
allein sing' ich mein Leid.
4. Kein Dräuen soll mirbeugen
den hochgemuten Sinn;
ausduldend will ich zeugen,
von welchem Stamm ich bin.
Und so sie hold gebaren,
wie Spinnweb acht' ich's nur;
ich will getreu bewahren
mein Herz und meinen Schwur.
5. O Ortwin, trauter Bruder,
o Herwig, Buhle wert,
was rauscht nicht euer Ruder,
was klingt nicht euer Schwert!
Umsonst zur Meereswüste
hin späh' ich jede Stund';
doch naht sich dieser Küste
kein Wimpel, das mir kund.
6. Ich weiß es: nicht vergessen
habt ihr der armen Maid;
doch ist nur kurz gemessen
dem steten Gram die Zeit.
Wohl kommt ihr einst, zu sühnen;
zu retten, ach, zu spät,
wenn schon der Sand der Dünen
um meinen Hügel weht.
7. Es dröhnt mit dumpfem Schlage
die Brandung in mein Wort;
der Sturm zerreißt die Klage
und trägt beschwingt sie fort.
O möcht' er brausend schweben
und geben euch Bericht:
„Wohl laß ich hier das Leben,
die Treue laß ich nicht!"
E. Geibel.
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd]]
TM Hauptwörter (100): [T1: [König Held Herz Mann Volk Siegfried Land Lied Hand Tod], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T87: [Tag Tisch Haus Frau König Mann Gast Herr Hand Abend], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T28: [Schiff Meer Wasser Land Küste Ufer Insel See Flut Welle]]
TM Hauptwörter (200): [T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T196: [Tisch Tag König Hand Wein Herr Haus Gast Abend Frau], T43: [Haus Frau Kind Mann Arbeit Wohnung Familie Zeit Zimmer Kleidung], T100: [Gott Herr Herz Wort Leben Hand Himmel Vater Kind Mensch], T2: [Schiff Stadt Tag Nacht Sturm Feind Ufer Meer Land Feuer]]
Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
Inhalt Raum/Thema: Haushaltsregeln
Geschlecht (WdK): Mädchen
377
ein großes Waschfest, das mit Vorbereitungen und Nacharbeit
acht oder vierzehn Tage alle weiblichen Hausgenossen und noch
ein paar Waschfrauen dazu in Anspruch nahm.
Ii.
Seitdem sind mehr als fünfzig Jahre verstrichen. Auch wenn
wir von ländlichen Haushaltungen absehen, die immer noch in
der Lage sind, einen großen Teil ihrer Bedürfnisse selbst zu er-
zeugen und gebrauchsfertig herzustellen, so läßt sich nicht be-
haupten. daß alle erwähnten häuslichen Einrichtungen und
Arbeiten aus allen oder den allermeisten deutschen Häusern völlig
verschwunden seien. Es gibt immer noch Frauen, die das eine
und das andre so machen, wie es ihre Urgroßmütter machten.
Aber im großen und ganzen zeigt heute das häusliche Leben in
Deutschland ein völlig andres Gesicht. Der allgemeine Brauch
ist nicht mehr, selbst zu machen, was man irgend selbst machen
kann, sondern zu kaufen, was irgend zu kaufen ist. Den leitenden
Grundsatz in Einrichtung und Lebensweise bilden nicht mehr die
Sparsamkeit und Genügsamkeit, sondern die Behaglichkeit und
Befriedigung des Schönheitssinnes. Man fragt nicht: Was können
wir entbehren? Was können wir uns mit eigner Anstrengung
schaffen? sondern: Was müssen wir haben? Woher beziehen wir
das und jenes am besten?
Wenn nun auch Sparsamkeit und Genügsamkeit unbedingt
Tugenden genannt werden müssen, so ist« nicht damit gesagt, daß
der heutige Zuschnitt unsers häuslichen Lebens ebenso unbedingt
verwerflich sei. Jedes Volk führt ihn ein, sobald es sich dazu reich
genug fühlt. Unsre westlichen Nachbarn, besonders die Eng-
länder und Holländer, haben, weil sie viel reicher sind als wir,
schon viel früher diesen Schritt getan. Daß wir ihnen aber jetzt
verhältnismäßig so schnell nachgefolgt sind, das liegt nicht an
einem ebenso plötzlichen und ebenso starken Wachstum unsers
Nationalvermögens. Mit jenen beiden Völkern und den Fran-
zosen verglichen, sind wir immer noch ein armes Volk. Vielmehr
liegt es einerseits daran, daß durch die Ausbreitung des Eisen-
bahnnetzes die Angehörigen aller Kulturvölker in unendlich viel
lebhaftere Beziehungen zueinander getreten sind als früher, und
anderseits daran, daß durch die Erfindung der verschiedenartigsten
Maschinen die Arbeit der Menschenhand überhaupt an vielen
Stellen abgelöst worden ist. Der Dampf hat die Welt um-
gewandelt! Der Handwerker muß vielfältig dem Fabrikanten
weichen: er zieht dafür, soviel er kann, die Arbeit an sich, die
früher jeder für sich selbst ausführte. Jetzt sind ein Brot oder ein
Kuchen, die nicht der Bäcker gebacken hat. eine Seltenheit: der
Bäcker muß sich seinerseits vor der Brotfabrik mit Dampfbetrieb
und Dampfmühle wehren, die ihm die Kundschaft zu rauben
droht. Der Fleischer hat nicht mehr damit zu rechnen, daß seine
Kunden einen großen Teil des Jahres hindurch von ein-
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler], T29: [Handel Industrie Land Ackerbau Fabrik Stadt Deutschland Mill Viehzucht Gewerbe]]
TM Hauptwörter (100): [T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T71: [Mann Volk Leben Sitte Zeit Vater Liebe Frau König Jugend], T40: [Fabrik Maschine Industrie Arbeiter Stadt Weberei Arbeit Herstellung Handel Art], T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T3: [Lage Karte Land Europa Geographie Klima Größe Verhältnis Grenze Gliederung]]
TM Hauptwörter (200): [T43: [Haus Frau Kind Mann Arbeit Wohnung Familie Zeit Zimmer Kleidung], T52: [Arbeiter Arbeit Zeit Betrieb Jahr Fabrik Maschine Staat Preis Kapital], T175: [Mensch Leben Natur Körper Seele Tier Thiere Arbeit Erde Pflanze], T127: [Volk Sprache Land Zeit Sitte Kultur Bildung Geschichte Bewohner Stamm], T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte]]
Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
Inhalt Raum/Thema: Haushaltsregeln
Geschlecht (WdK): Mädchen
436
Patinnen, von denen sie die Namen erhielt. Sechs Jahre lang
lebte das blonde, blauäugige Mädchen in der ländlichen Stille,
die liebevollste Gesellschafterin ihrer jüngern Schwester, der
Prinzessin Karoline Mathilde.
Die Prinzessinnen, die einander in herzlicher Liebe zugetan
waren, siedelten nach Primkenau über. dem stattlichen Herrschafts-
sitz ihres Vaters. Hier begann die Zeit der ernsten Arbeit, die
mit Ausflügen in die Umgegend und heiterm Spiel abwechselt.
„Liebe Plätze haben die Prinzessinnen daheim. Hinter dem
Schlosse, am Anfange des Parkes liegt an zwei Teichen, auf denen
Schwäne stolz einherziehen, der Spielplatz. Groß und klein, oft
sind auch Gäste dabei, vereinigt sich hier zu fröhlichem Spiel, und
helles Kinderlachen erschallt, wenn die Krocketkugel des Vaters
ihr Ziel verfehlt. — Doch das Paradies der Kinder liegt tiefer
im Parke. Aus dunklem Tannengrün lugt ein kleines Häuschen
hervor, im Schweizerstil gebaut; sein Dach ist überwuchert von
wildem Wein. Vor ihm befindet sich ein Gärtchen, in dem jedes
Kind sein Beet hat. Hier graben, pflanzen, gießen und jäten
die Prinzessinnen mit rastlosem Eifer, und stolze Freude empfin-
den die kleinen Gärtnerinnen, wenn sie selbstgezogenes Gemüse
zur herzoglichen Küche tragen können, das dann bei Tafel auch
gebührend gewürdigt werden muß. — Und was birgt das
Schweizerhäuschen im Innern? Alles, was ein Mädchenherz sich
träumt. Ein niedlich ausgestattetes Zimmer ist Wohnstube für
die Prinzessinnen und ihre Lieblinge, die Puppen; daneben liegt
eine kleine Küche mit offenem, aus roten Ziegeln gemauertem
Herde und einer vollständigen Kücheneinrichtung. Hier schalten
und walten die Prinzessinnen als deutsche Hausmütterchen."
Die Eltern bleiben nicht immer in Primkenau. Im Winter
lebt die herzogliche Familie in Gotha. Auch auf Reisen ins
Riesengebirge, nach Frankreich und Schweden werden die Prin-
zessinnen mitgenommen. Den ernsten Abschluß ihres glücklichen
Mädchenlebens bildet der Konfirmationstag. Es ist der 22. Mai
des Jahres 1875, kein Feiertag, und doch sieht's im Städtchen so
feierlich aus. Der Landmann ist nicht zur gewohnten Zeit aufs
Feld gezogen, in den Werkstätten ruht die Arbeit, und schon
früh sind die Kinder in ihren Sonntagsstaat gesteckt worden. Da
läuten die Glocken vom Turm, und bald ist das festlich geschmückte
Gotteshaus gefüllt. Auguste Viktoria und Karoline Mathilde
treten in die Kirche ein. geleitet von ihren Eltern, von Ver-
wandten und lieben Freunden des Hauses. „Unsre lieben Prin-
zessinnen", sagt ein altes Mütterlein, und ihre Augen werden
feucht. Hinter den für sie bestimmten Stühlen vor dem Altar
bleiben sie stehen. Alter Sitte gemäß hält der ehrwürdige Geist-
liche. Pastor Meißner, mit ihnen eine Prüfung ab. Erfüllt von
dem heiligen Ernst dieser Stunde, legen die beiden Konfirman-
dinnen vor der versammelten Gemeinde Zeugnis ab von ihrem
Glauben und Hoffen. Mit der Verheißung; „Sei getreu bis in
TM Hauptwörter (50): [T33: [Kind Vater Mutter Frau Mann Jahr Sohn Gott Haus Eltern], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
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Extrahierte Personennamen: Karoline_Mathilde Karoline_Mathilde Ernst
Extrahierte Ortsnamen: Primkenau Gotha Frankreich Schweden Viktoria
Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
Inhalt Raum/Thema: Haushaltsregeln
Geschlecht (WdK): Mädchen
408
über das frische Kind eine große Freude. Niemand ahnte aber
damals, welche Bedeutung das Mädchen für die ganze deutsche
Nation, ja für die gesamte gebildete Welt haben sollte. Im Alter
von siebzehn Jahren vermählte sich die Jungfrau Katharina Eli-
sabeth mit dem wohlhabenden kaiserlichen Rate Johann Kaspar
Goethe und wurde die Mutter von Deutschlands größtem
Dichter. Als „Frau Rat" war sie schon zu Lebzeiten ihres Sohnes
der gefeierte Mittelpunkt eines ausgedehnten Bekanntenkreises,
sie wurde eine Lieblingsgestalt des deutschen Volkes und ist es
geblieben bis auf den heutigen Tag.
Frohnatur! Goethe hat eigens für die geliebte Mutter dieses
Wort erfunden und damit den Charakter dieser herrlichen Frau
auf das trefflichste bezeichnet. Ihr sonniges Gemüt, ihre harm-
lose. alles beglückende Heiterkeit, ihre kostbare Natürlichkeit und
die bis zum Tode bewahrte jugendliche Frische vereinigten sich in
ihr zu einem Zauber, der jeden, der in ihre Nähe kam. vom ersten
Augenblicke an gefangen hielt. Wer damals von berühmten
und hochgestellten Personen nur immer Frankfurt berührte, der
stattete auch „Frau Aja", wie sie in Freundeskreisen genannt
wurde, einen Besuch ab. Wenn der Besuch das gastliche Haus ver-
ließ. da hatte Frau Rat einen Freund und Bewunderer mehr.
Der Dichter Wieland nennt sie die Königin aller Weiber, die
Krone ihres Geschlechts. Prinz Georg von Mecklenburg und die
Herzogin Anna Amalia von Sachsen-Weimar schließen innige
Freundschaft mit ihr. die sie bis zum Tode bewahren. Die beiden
Prinzessinnen von Mecklenburg-Strelitz verkehren während ihres
Aufenthalts in Frankfurt nirgend lieber als bei der Frau Rat.
Munter plätschern sie an dem Hausbrunnen, tollen in Haus und
Hof umher, und nichts schmeckt ihnen dann besser, als der von
Frau Rat eigenhändig zubereitete Kartoffelsalat. Einer dieser
Prinzessinnen hat das Schicksal später ein Königsdiadem um die
Stirne gewunden. Es war die Königin Luise, die zeitlebens ihrer
mütterlichen Freundin in herzlicher Zuneigung verbunden blieb.
Frau Rat besaß die beneidenswerte Kunst, an allen Dingen
die gute Seite herauszufinden. „Es gibt doch viele Freuden."
schreibt sie einmal an ihren Sohn, „in unsers lieben Herrgotts
seiner Welt! Rur muß man sich aufs Suchen verstehen, sie finden
sich gewiß." Ewiger Frühling und heller Sonnenschein waren
allezeit um sie verbreitet. „Mir geht's." lesen wir in einem andern
Briefe von ihr, „wie dem Hund in der Fabel — abwehren kann
ich's nicht — zerzausen mag ich mich nicht lassen — gerade wie
der Hund, ich-------esse mit. Das ist verdolmetscht — ich freue
mich des Lebens, weil noch das Lämpchen glüht — suche keine
Dornen — hasche die kleinen Freuden — sind die Türen niedrig,
so bücke ich mich — kann ich den Stein aus dem Wege tun. so tue
ich's — ist er schwer, so gehe ich herum — und so finde ich alle Tage
etwas, das mich freut — und der Schlußstein — der Glaube an
Gott! Der macht mein Herz froh und mein Angesicht fröhlich —
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Extrahierte Personennamen: Katharina_Eli- Johann_Kaspar
Goethe Johann Goethe Georg_von_Mecklenburg Anna_Amalia
Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
Inhalt Raum/Thema: Haushaltsregeln
Geschlecht (WdK): Mädchen
440
4. Sie schütteln ihr lang', durchnähtes Haar
und grüßen wie fremde Boten:
sie reichen einen Ring mir dar
und Grüße von einem Toten.
von dir. von dir — ich erwach' und wein'
und schlafe die Nacht nicht wieder ein.
5. Es lechzt vielleicht dein heißer Mund,
und ich kann dich nicht laben:
du liegst vielleicht im Meeresgrund,
sorglos und unbegraben.
Ach, daß ich selbst den Trost verlier',
im Frieden einst zu ruhn bei dir!" Hermann erngg.
250. Deutsches Frauenleben in fernen Landen.
Es ist ein weiter Weg, zu dem deine Phantasie, liebens-
würdige Leserin, dich in diesem Augenblick beflügeln soll: über
das Rätselland Ägypten hinweg, über die Wundergefilde
Indiens, durch die schwerlastende Hitze der Tropen hindurch,
mitten unter die bezopften Söhne des himmlischen Reichs, sei
es nun in Hongkong, an der nördlichen Grenze der Tropenzone,
oder Kanton, Schanghai, das etwa auf der Höhe von Sizilien
liegt, oder gar Peking, die Hauptstadt Chinas, des Reiches der
Blumen: überall findest du deutsche Frauen, die. mit Aufopferung
aller der Vorteile und Genüsse des europäischen Lebens, dem
Manne ihrer Wahl in das Ausland gefolgt sind, und die Euro-
päern und Fremden in fernen Landen das Bild einer deutschen
Häuslichkeit, alle die Anziehungen des deutschen Familienlebens
hervorzaubern. Freilich sind im allgemeinen die Ansichten über
das Leben in jenen Ländern noch recht verkehrte, und eine, wenn
auch nur kurze Darstellung wird lehren, dah es sich auch dort zu-
weilen recht angenehm leben läßt.
Die junge Frau, die gewöhnlich in zartem Lebensalter dem
Manne ihrer Wahl in das Ausland folgt, wird freilich beim
ersten Betreten dieses nach langer Seereise nicht wenig bestürzt
sein und aller der guten, im deutschen Hause gewonnenen Er-
fahrungen und Lehren bedürfen, um in dem Gewirr des Fremden,
das von allen Seiten auf sie einstürmt, sich zurecht zu finden und
auf der fremden Erde festen Fuß zu fassen. Zunächst gilt es ja,
den eignen Haushalt einzurichten, vor allen Dingen sich ein be-
hagliches Heim zu schaffen. Die äußern Bedürfnisse sind hierfür
in den meisten Fällen bereits alle vorhanden: ein geräumiges,
luftiges Haus, durchweg mit hohen, saalartigen Zimmern, meist
vollkommen ausmöbliert und wenig von europäischeni Luxus
vermissen lassend, empfängt die Ankommende. Das Haus wird
belebt von einer gewöhnlich recht zahlreichen Dienerschaft, deren
Anblick und Entgegenkommen fremd und im ersten Augenblick
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht]]
TM Hauptwörter (100): [T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T39: [Kind Vater Mutter Frau Mann Haus Jahr Eltern Sohn Knabe], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T28: [Schiff Meer Wasser Land Küste Ufer Insel See Flut Welle]]
TM Hauptwörter (200): [T43: [Haus Frau Kind Mann Arbeit Wohnung Familie Zeit Zimmer Kleidung], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T59: [Tod Leben Volk Herz Freund Mann Wort König Tag Feind], T186: [Stadt Insel Hauptstadt Tunis Handel Afrika Land Hafen Küste Algier], T34: [Meer Wasser Land Küste Insel See Flut Fluß Tiefe Welle]]
Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
Inhalt Raum/Thema: Haushaltsregeln
Geschlecht (WdK): Mädchen
441
abstoßend wirkt. Es gibt fast ohne Ausnahme in den europäischen
Häusern in China nur männliche Dienerschaft, und. obwohl die
schlitzäugigen Gesellen mit einem wahren Feuereifer der neuen
Hausherrin entgegenstürzen und ihre Dienste anbieten, so ist doch
zunächst ein großes Hindernis für den Verkehr vorhanden: die
Sprache. Sorgsam wird ja die Frau. die jahrelang im Ausland
zubringen soll, sich vorher der englischen Sprache mächtig gemacht
haben und ist vielleicht nicht wenig stolz auf ihre Kenntnisse: ist
ihr doch gesagt worden, daß nur im Englischen ein Verkehr im
gewöhnlichen Leben dort draußen möglich ist: aber der Wort-
schwall mit dem der Boy, der chinesische Diener, die Herrin be-
grüßt und ihre Aufträge einholen will, hat keine Ähnlichkeit mit
Englisch. Einige schnell und gurgelnd hervorgestoßene kurze Sätze
lassen wohl hier und da eine englische Silbe heraushören, aber
einen Sinn findet man dann erst, nachdem das Ohr erst be-
sonders darin geschult, nachdem das Gedächtnis sich eine Reihe
ganz bestimmter Redewendungen eingeprägt hat. Es ist das so-
genannte Pidgin-Englisch. eine Vermischung des Englischen mit
portugiesischen Ausdrücken, merkwürdigen Anhängesilben und der
chinesischen Logik entnommenen Worten.
Schon für das Auspacken und Unterbringen aller der Sächel-
chen und Kleinigkeiten, die aus der Heimat mitgebracht worden
und die in so zarter Weise vielleicht das Band aus den Mädchen-
jahren in die junge Ehe hinüberspinnen, die als letzte Geschenke
und Andenken ferner Freundinnen eine Art Seelenverbindung
mit der fernen Heimat in sinniger Weise erhalten, ergeben sich
große Schwierigkeiten, denn dies alles muß von der jungen Frau
gewöhnlich selbst besorgt werden, da all die Diener von dem Ge-
brauch der Sachen nicht die geringste Ahnung haben, und wenn
man sie schalten ließe, sich bald die drolligsten Verwechslungen
und Szenen ergeben würden.
Jetzt kommt die erste Mahlzeit heran: im Speisezimmer über-
rascht die ungemein geschmackvolle Anordnung der Tafel, in der
die Chinesen allerdings Meister sind. Vielleicht nimmt an der
Tafel schon heute, wie das im ganzen Osten Asiens üblich ist, das
ganze europäische Eeschäftspersonal teil. aber es sind wenigstens
lauter gute deutsche Physiognomien, wenn auch hin und wieder in
ihrer Sprache sich ein englischer Ausdruck oder eine aus dem Eng-
lischen entnommene Redensart einschleicht und einen fremden Ein-
druck hervorbringt. Hinter jedem Stuhl, hinter jedem Tischgast
stellt sich ein eigner Diener auf. andre befördern die Speisen aus
der Küche in den Saal. Eine Fülle von Gerichten erscheint hinter-
einander: aber die deutsche Hausfrau, die noch ganz im Geist der
Heimat lebt. der der Begriff der Hausmannskost noch zu deutlich
vorschwebt, wird allen diesen Sachen kaum einen großen Geschmack
abgewinnen, und gewiß wird sie zuerst den Entschluß fassen, ihre
eigne Küche umzugestalten: dies ist aber nicht so leicht. Auch der
Koch ist natürlich ein Chinese: auch hier muß die Schwierigkeit der
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